Unerwartetes Wiedersehen

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Wir kommen Abends mit der Fähre am untersten Zipfel der Lofoten an. Es ist bereits dunkel, kalt und es regnet. Zum Glück gibt es ein paar Meter vom Fährhafen entfernt einen Campingplatz mit einer Küche und warmen Duschen.  Am nächsten Morgen kommen wir beim Kaffee kochen mit einem deutschen Paar ins Gespräch. Sie erzählen uns von einem Strand, an dem zwei Surfer vor einigen Jahren im Winter eine kleine Hütte aus Treibholz und anderen Dingen die angespült wurden, erbaut haben um einen Winter lang in der Einsamkeit zu surfen. Moment - das kommt uns irgendwie bekannt vor! Tatsächlich haben wir die Dokumentation (North of the Sun) die daraus entstanden ist bereits vor einigen Jahren bei den European Outdoor Film Tours gesehen und wir waren damals schon absolut begeistert von den zwei verrückten Surfern. Uns war jedoch nicht klar, dass sich der Strand hier auf den Lofoten versteckt und die Hütte tatsächlich noch steht und man darin übernachten kann. Keine Frage: da wollen wir hin! Die Beiden erklären uns welches Dorf in der Nähe ist und wie man ungefähr zum Strand kommt. Es gibt zwei Wege und man muss ca. 1 Stunde wandern - easy, bekommen wir hin.

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Wir trampen also los - und der Schutzpatron der Hitch Hiker (das müsste dann eigentlich Jim Morrison sein) meint es gut mit uns. Das allererste Auto dem wir den Daumen entgegenstrecken nimmt uns mit. Yoshi kommt aus Japan und macht hier Urlaub. Er ist verdammt sympathisch, wir merken uns Japan als zukünftiges Reiseziel und ein Abschiedsfoto ist Pflicht, als sich unsere Wege gezwungenermaßen trennen.

Schon 5 Minuten später sitzen wir im Auto von 2 netten Schweizern, die uns bis zum Dorf mitnehmen in dem der Wanderweg zum Strand startet. Danke! Trampen funktioniert hier auf den Lofoten besser als Busfahren.

Wir fragen einen Einheimischen nach dem Strand und er erklärt uns, dass es zwei Wege dorthin gibt. Der eine ist etwas kürzer aber nicht sehr schön, der andere ist etwas länger: „Maybe one hour, but you have a spectacular view!“. Alles klar, wir nehmen den längeren Weg, eine Stunde laufen schaffen wir schon, auch mit unserem kompletten Gepäck (Yoshi hat das Gewicht unserer Deuter Backpacks geschätzt. Er meinte Meiner hat ca 20 Kilo, Toby’s gute 30. Wir hoffen er übertreibt)...

Wir starten und der Weg ist wirklich total schön und angenehm zu laufen, bis es plötzlich steil Bergauf geht. Wir haben eigentlich immer gesagt, dass wir mit unserem vollen Gepäck nicht wandern gehen sondern für Hikes unseren Kram irgendwo einschließen, oder im Zelt lassen. Naja, nun sind wir schon los und wir wissen sowieso nicht wo wir die Sachen lassen sollen. Also geht es weiter den steilen Pfad hinauf. Fast geschafft. Oben angekommen haben wir einen fantastischen Ausblick über Fjorde, kleine Bergseen und schroffe, grünbewachsene Hänge. Doch dann merken wir schnell: es geht noch weiter hoch. Ich kann mich nach dieser Erkenntnis nicht mehr auf die Postkartenansicht konzentrieren. Der Rucksack zieht mich bei jedem Schritt nach unten. Da es wirklich extrem steil ist müssen wir oft klettern und ich habe manchmal das Gefühl gleich nach hinten zu kippen. Wir werden mittlerweile auch von ein paar Leuten mit leichterem Gepäck überholt. Es nieselt und der Untergrund auf der Hochebene ist moorig und wenn man nicht aufpasst, sinkt man bis zum Knöchel ein. Der Weg ist bei diesen Wetterbedingungen und dem Gepäck extrem herausfordernd und jeder nächsten Steigung folgt stets ein steiler Abgang. Dann, wie aus dem Nichts, eröffnet sich vor uns eine unglaubliche Aussicht auf den Strand. Das Wasser ist Türkis und der Sand strahlend Weiß. Das ganze liegt spektakulär zwischen grau-schwarzen Berghängen. Wir sind sprachlos. Mit solch einem Superlativ haben wir nicht gerechnet.

Nun geht es an den echten Abstieg: Es geht noch steiler nach unten als zuvor rauf. Wir brauchen für den ganzen Weg 2-3, statt einer Stunde, aber kommen überglücklich unten an. Nun müssen wir nur noch die Hütte finden, man kann aber auch überall einfach das Zelt aufschlagen. Oberhalb des Strands gibt es eine grasbewachsene Ebene mit vielen kleinen Feuerstellen. Die ersten Zelte stehen auch schon. Wir machen uns trotzdem erstmal auf die Suche nach der Hobbit Hütte. Währen Tobi die Drohne steigen lässt, gehe ich auf Erkundungstour. Und plötzlich sehe ich sie: gut versteckt hinter einem großen Felsen lässt sich eine runde Tür erblicken. Aufgeregt erkunden wir das kleine Schmuckstück. Es ist magisch! So viel Liebe, Kreativität und handwerkliches Geschickt steckt in den paar Quadratmetern. Aus Abfall, den Menschen weggeschmissen haben, wurde etwas Einzigartiges und Nachhaltiges geschaffen. Die Hütte wurde bereits vor 10 Jahren gebaut und steht immer noch - ist immer noch da für Entdecker um darin zu schlafen, Unterschlupf zu finden oder einfach die vielen Details zu bewundern. Wir können es nicht glauben, dass wir hier sind und dass niemand sonst da ist. Die anderen Wanderer die ihre Zelte aufschlagen, scheinen von der Hütte nichts zu wissen und man muss schon viel Glück haben, um zufällig auf die Hütte zu stoßen. Es gibt sogar einen kleinen Ofen und einen Schornstein. Der Ofen wurde aus einem alten Ölfass gebaut. Es ist jetzt schon ziemlich ungemütlich, also geht Tobi gleich auf Feuerholzsuche.

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Als ich den Strand entlang blicke, sehe ich einen groß gewachsenen Kerl mit einem Surfbrett unterm Arm den Weg entlang laufen. Mir ist sofort klar: der möchte auch zur Hütte. Man muss dazu sagen: es sind gerade mal 0-5 Grad und wie bereits beschrieben, liegt der Strand ziemlich abgelegen: hier kommt man nicht einfach mit dem Surfbrett hin, außer man kennt die besagte Dokumentation und is auf der Suche nach der Hütte. Ich rufe Tobi zu er soll ihn ansprechen. Tatsächlich: Idris ist auf der Suche nach der Hütte und überglücklich sie gefunden zu haben. Er ist so begeistert, dass er fast Platzt. Wir bieten ihm an unser Zelt aufzubauen, damit er alleine in der kleinen Hütte schlafen kann. Das lehnt er aber ab, es soll noch sehr viel kälter und windiger werden heute Nacht und er besteht darauf, zu dritt in der Hütte zu schlafen. Aber zuerst muss er natürlich schnell surfen gehen. Gesagt getan, Idris wirft sich in das Eiskalte Wasser - er ist unser Held! Tobi versucht ein Feuer mit dem spärlichen, feuchten Treibholz zu machen (überraschend erfolgreich, dank Zunderholz und Blasebalg) und es wird langsam wärmer in der Hütte. Wir verbringen einen wunderbaren Abend mit Idris, bei schottischem Whisky und spannenden Gesprächen. Keiner von uns kann es so richtig fassen wo wir gerade sind und wie toll es ist. Idris reist mit einem kleinen Campervan durch Norwegen und wir erzählen ihm von James umgebauten Sprinter (James war der Schotte, der uns von Göteborg bis Oslo mitgenommen und den Abend mit uns im Pub verbracht hat). Idris schaut uns verdattert an: „Ihr meint jetzt aber nicht James, der auf dem Parkplatz unten steht?“. Wir können es nicht Glauben: James parkt am anderen Ende des Wanderweges und möchte am nächsten Tag auch zur Hütte wandern!

Als wir aufwachen ist es kalt, es regnet fies und alle Zelte sind bereits verschwunden. Keiner von uns hat Lust nach draußen zu gehen. Also trinken wir in der Hütte gemütlich einen Kaffee. Plötzlich klopft es und die Tür geht auf: Als James den Kopf herein streckt, sind wir sind alle kurz Sprachlos und müssen dann lachen. Das Leben schreibt einfach die besten Geschichten. Wer kann schon damit rechnen, dass wir uns wieder treffen und das am abgelegensten Punkt den man sich vorstellen kann. James bietet an uns weiter mitzunehmen, er ist auf dem Weg zum Nordkap.

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Eigentlich wollten wir noch ein paar Tage länger auf den Lofoten bleiben, aber das Wetter ist schlecht, uns rennt die Zeit bis zum Start unseres Russlandvisums davon und das Schicksal hat uns St. James geschickt: natürlich sagen wir ja! Also treten wir Nachmittags im Regen den Rückweg an. Diesmal nehmen wir den kürzeren Weg, der nicht minder Anstrengend ist. Durchnässt kommen wir am Parkplatz an und sind froh, dass wir unsere Sachen in James Van aufhängen und es uns in der warmen Fahrerkabine gemütlich machen können. Die nächsten zwei Tage sind wir mit James unterwegs. Stur immer weiter Richtung Norden.