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Wir werden dich vermissen Russland!

Als wir am Nachmittag wieder in Irkutsk ankommen spüren wir den Schwermut des Abschieds: unsere Zeit mit Mütterchen Russland neigt sich nun endgültig dem Ende zu. Morgen geht es weiter mit dem Zug nach Ulan Ude und von dort mit dem Bus über die Grenze in die Mongolei. Tobis Fuß geht es immer noch nicht sehr viel besser und daher beschließen wir für den nächsten Morgen ein Taxi zum Bahnhof zu bestellen. Wir wollen aber nicht gehen, ohne ein paar russische Köstlichkeiten vom Markt und Socken aus Yak-Wolle besorgt zu haben. Diese sollen unglaublich warm geben und da die Temperaturen hier bereits dauerhaft in die Minusgrade gerutscht sind, denken wir dass vernünftige Socken für die Mongolei keine schlechte Idee sein könnten. Wir werden auch schnell bei einer netten Babuschka fündig und müssen sagen: die besten 2 Euro die wir bisher investiert haben!

 

Im Hostel lernen wir beim Kochen Leo und Lauren kennen: die beiden sind 4 Monate von Großbritannien nach Dänemark gelaufen und dann auf den Zug umgestiegen (www.lllongwalk.com). Wir verstehen uns super und stellen fest, dass die Beiden wie wir die letzten 4 Tage auf Olkhon verbracht haben, morgen mit dem gleichen Zug von Irkutsk nach Ulan Ude fahren und dort das gleiche Hostel wie wir gebucht haben. Viele Reisende, die man in dieser Ecke der Welt trifft, betreten auch die gleichen Pfade. Danach wollen die zwei dann aber weiter bis Vladivostok und dann mit der Fähre nach Japan bevor es für sie Ende des Jahres wieder in die Heimat geht. Also verabreden wir uns für den nächsten Tag am Bahnhof (die beiden wollen natürlich zum Bahnhof laufen aber durch Tobis Fuß ist daran gerade nicht zu denken). Als wir uns also tags drauf vor der riesigen Anzeigetafel wieder finden, stellen wir fest, dass unser Zug zwar angekündigt wird, aber kein Gleis ersichtlich ist. Etwas panisch machen wir vier uns auf die Suche nach dem richtigen Gleis (der Zug soll eigentlich in 10 Minuten fahren). Wir werden von einer Bahnhofshalle zur nächsten geschickt, bis uns eine Dame der Security endlich darüber aufklärt, dass der Zug 2 Stunden Verspätung hat. Immerhin besser als Zug verpasst, denken wir und lassen uns im Warteraum nieder - aus den 2 Stunden Verspätung werden dann plötzlich 3 und wir können es fast nicht glauben, als der Zug dann tatsächlich mit 3,5 Stunden Verspätung im Bahnhof einrollt. Die Fahrt von Irkutsk nach Ulan Ude dauert ca. 8 Sunden und soll einer der schönsten Abschnitte der Transsibirischen Eisenbahn sein: Die Gleise laufen direkt am Baikalsee entlang. Deshalb wollten wir diesen Teil auch unbedingt tagsüber fahren. Durch die verschmutzten Fenster des Zuges versuche ich immer wieder den See zu erspähen aber die ersten 2 Stunden zeigt sich wieder nur das immer gleiche Birkengeäst. Am späten Nachmittag quält sich der Zug schließlich langsam um eine Kurve und da taucht er wieder vor uns auf: weit und mächtig erstreckt sich das dunkelblau glitzernde Wasser bis in den Dunst des Horizonts. Die Gleise wurden mutig direkt am Ufer entlang verlegt. Keine Straße, keine Häuser, keine Wege trennen die Eisenbahnlinie von den Stränden und Kliffs des Sees. Wenn doch nur die Fenster etwas sauberer wären! Wir versuchen unsere grandiose Aussicht zu filmen, aber auf dem Display der Kamera ist wie so oft nur ein Abklatsch dessen zu sehen, was das Auge wahrnehmen kann. Viele Kilometer schlängeln sich die Gleise am See entlang und wir können wirklich nur empfehlen auf den Nachtzug zu verzichten und schon mittags in Irkutsk in den Zug zu steigen! Leider wird es dann aber ziemlich schnell dunkel: Durch die verspätete Abfahrt werden die Schatten immer länger und die Landschaft verschwindet schon bald in der grau-blauen Dämmerung. Wir kommen erst gegen 23:00 Uhr in Ulan Ude an. Ausser der 4-spurigen Straße die es zu überqueren gilt und ein paar dick eingepackten dunklen Gestalten bekommen wir nicht viel zu sehen von der kleinen russischen Transitstadt. Unser Hostel befindet sich zum Glück direkt am Bahnhof. Wir haben unsere Bustickets in die Mongolei über ein kleines Reisebüro in Ulan Ude per Mail bestellt und hoffen nun inständig, dass sie wie versprochen im Hostel auf uns warten: Unser Bus fährt am nächsten Morgen schon um 7:00 Uhr los. Die nette Dame an der Rezeption spricht kein Wort englisch aber nachdem sie unsere Pässe in der Hand hält streckt sie uns mit einem stolzen Lächeln einen Umschlag entgegen: unsere Bustickets! Das zumindest hat wie am Schnürchen geklappt. Eigentlich sind wir gar nicht so recht  Müde, aber da wir am nächsten Tag früh raus müssen versuchen wir gegen 1:00 Uhr endlich einzuschlafen.

 

Die Busfahrt von Ulan Ude nach Ulan Bator dauert fast 12 Stunden. Wir machen es uns auf den klapprigen Sitzen bequem und der Bus holpert los. Je näher wir der Grenze kommen, desto milchiger wird der Blick aus dem Fenster. Beim ersten Toilettenstopp kurz vor dem Zoll verschwinden die schäbigen Sovietgebäude in trostlosem Nebel. Es ist eine eigenartige Stimmung mit der wir Russland verlassen. Der Grenzübergang dauert knappe 2 Stunden: am russischen Grenzposten aussteigen, das gesamte Gepäck aus dem Bus ausladen, in langer Schlange durch die Security schlappen, Reisepass vorzeigen, Ausreisestempel bekommen, wieder zurück in den Bus. Wir fahren 3 Minuten und sind dann beim mongolischen  Grenzposten: wieder das ganze Gepäck ausladen, wieder durch die Security, wieder Reisepass vorzeigen, diesmal bekommen wir den Einreisestempel und wieder zurück mit dem ganzen Kram in den Bus. Jeder Reisende kann es bestätigen - Grenzen sind wirklich etwas lästiges und uns wird mal wieder bewusst wie wertvoll das Schengener Abkommen ist.

 

Kurz nach der Grenze halten wir dann zum Mittagsstop: Wir sind in der Mongolei! Nach 62 Tagen und 12.500 km sind wir über Land bis in die Mongolei gereist!

Die Landschaft verändert sich langsam und die tief stehende Sonne lässt die mongolische Steppe in warmen Tönen schimmern. Die meisten Touristen reisen im Sommer in die Mongolei, daher habe ich grüne Grasflächen mit wilden Pferden im Kopf wenn ich vorher an dieses Land dachte. Nun bin ich hier, Ende Oktober und hier ist nichts grün: die Umgebung zeigt sich hauptsächlich in vielen verschiedenen Ockertönen, ab und zu liegt etwas Schnee auf den Hügeln. Pferde gibt es trotzdem zu Hauf. Wir kommen spät in Ulan Bator an und werden am überfüllten Busbahnhof ganz im asiatischen Stil empfangen: Taxifahrer strömen aus allen Richtungen herbei und versuchen uns direkt an der Bustür abzufangen. Ich habe noch nichtmal meinen Rucksack entladen und Tobi wird bereits von einem Taxifahrer zum Auto geschleppt. Bei der Gepäckausgabe spricht mich dann Baya an. Sie muss auch mit dem Taxi ins Zentrum und fragt ob wir uns eines teilen sollen. Da sie Mongolin ist kennt sie natürlich die Preise ganz genau und der Taxifahrer der Tobi in Beschlag genommen hat verlangt das 3-Fache des Standardpreises. Also eisen wir uns wieder von ihm los (was gar nicht so einfach ist, er hat bereits meinen Rucksack geschultert und gibt ihn mir nur widerwillig zurück). Baya zu treffen war jedenfalls unser Glück. Sie zeigt uns, wie man hier ein „Taxi“ (oft einfach Privatleute, die sich ein bisschen Spritgeld dazuverdienen) direkt an der Straße herbei winkt und wieviel so etwas eigentlich kostet (800 Tughrik pro Kilometer, also ungefähr 0,28 €). Wir vertreiben uns die Zeit mit einem netten Plausch unter Reisenden und so vergeht die Fahrt durch die verstopften Straßen wie im Nu. Es stellt sich heraus dass sie nur ein paar Häuser von unserem Hostel entfernt wohnt.

Unser Start in Ulan Bator hätte also kaum besser laufen können und als wir im Hostel ankommen wird es noch besser: Wir haben ein winziges Doppelzimmer gebucht, dieses ist allerdings schon vergeben und daher werden wir kurzerhand in ein Apartment upgegraded! (Danke Eiggy!!!) Als wir zum Einkaufen im Supermarkt um die Ecke gehen saugen wir die Eindrücke der Umgebung dann gerade zu auf. Wir sind endlich in Asien angekommen! Natürlich waren wir schon seit Jekaterinburg auf dem asiatischen Kontinent, aber erst hier in Ulan Bator, mit dem chaotischen Verkehr, den schmutzigen Straßen und der so fremd klingenden Sprache spüren wir die Entfernung zu Europa so deutlich wie in keinem der bisherigen Länder. Ich fühle mich schlagartig unglaublich wohl und zufrieden. =)

Wir verbringen über eine Woche in Ulan Bator um unser chinesisches Visum zu beantragen und uns mal ein paar Tage Auszeit vom ständigen weiterziehen zu gönnen. Bisher haben wir fast ausschließlich schlechtes von Ulan Bator gehört: hässlich, chaotisch und von extremer Luftverschmutzung verunreinigt. Eigentlich können wir vielen der Punkte auch zustimmen: es gibt sehr wenig Sehenswürdigkeiten, der Verkehr ist ein einziges, von Egoismus jedes einzelnen Fahrers geprägtes Chaos und die Luftverschmutzung ist immer noch ein großes Problem in Ulan Bator. Besonders im Winter, der hier mit schnellen Schritten auf uns zu kommt wird dies besonders Abends durch ein leichtes Kratzen im Hals deutlich. Schon jetzt hat es nachts um die -10°C und die tausenden von Jurten die sich in den äußeren Stadtgebieten Slumartig aneinander reihen heizen alle mit Kohle. Dies ist der Hauptgrund für den hiesigen Wintersmog. Und trotzdem: Wir genießen die Zeit in Ulan Bator (was soviel wie „die Stadt“ heißt) in vollen Zügen und entdeckten den ganz eigenen Charme der mongolischen Metropole für uns. Wir ziehen in 9 Nächten die wir in Ulan Bator sind noch 2 mal um (vom ersten Apartment in ein anderes und dann noch für 2 Nächte in das eigentlich gebuchte Doppelzimmer).

Beim 3 stündigen Warten bei minus 8 Grad vor der einladenden Stahltür der chinesischen Botschaft kommen wir schnell mit anderen Reisenden ins Gespräch: ein Paar aus Kolumbien welches schon zum 3. mal bei der Botschaft vorspricht um das chinesische Visum zu ergattern (die Botschaft hat scheinbar 2 Wochen lang keine Visumanträge bearbeitet, aufgrund eines wichtigen politischen Kongresses, wir kommen nun genau zur richtigen Zeit). Später werden wir sie wieder in unserem Hostel treffen, enttäuscht dass es wieder nicht geklappt hat. Ein englisches Ehepaar im Alter unserer Eltern die gerade von Großbritannien mit dem Tandem durch Europa, Russland und nun durch die Mongolei bis nach China fahren. Im November wollen sie nach Neuseeland fliegen und dort Weihnachten und Silvester verbringen. Und ein argentinisches Paar, dass nach Tibet weiter reisen möchte. Es ist wie immer interessant, sich mit Reisenden auszutauschen. Ende Oktober trifft man in der Mongolei ausschließlich Individualreisende, jeder beschreitet seinen ganz eigenen Weg mit den unterschiedlichsten Mitteln. Wir hören von vielen Radfahrern, einem Weltenbummler der zu Fuß unterwegs ist und eine Gruppe wild zusammengewürfelter Globetrotter will eine Horde Kamele von der Mongolei über die Seidenstraße bis nach England treiben. Wir sind mit unserem Vorhaben, auf Flugreisen zu verzichten hier sehr weit im unteren Drittel der Absurditätenskala einzuordnen. Den Kolumbianern und Argentiniern ist es jedenfalls viel zu kalt in der Mongolei und sie wollen so schnell wie möglich weiter. Wir organisieren unser chinesisches Visum (wie man das bewerkstelligt erklären wir euch in einem gesonderten Blogpost ;) und dürfen es 4 Tage später abholen. Bis dahin machen wir es uns zur Aufgabe die besten vegetarischen Dumplings der Stadt zu finden und werden fündig in „The Loving Hut“, einem kleinen vegetarischen Restaurant. Es handelt sich dabei um eine Restaurant-Kette die es eigentlich fast überall auf der Welt gibt, aber die Gerichte unterscheiden sich nach Land und Region des jeweiligen Standorts. Die besten Dumplings die ich bisher gegessen habe gibt es jedenfalls hier in Ulan Bator! Während wir auf unser Visum warten, finde ich bei Couchsurfing eine Familie in Kharkhorin, das ist eine Stadt ca. 530 Kilometer von Ulan Bator entfernt und mit dem Bus an einem Tag erreichbar. Kharkhorin ist eine kleine Stadt, umgeben von Bergen, Flüssen und einem angrenzenden Nationalpark. Also stellen wir eine Anfrage - schließlich wollen wir noch ein bisschen was von der mongolischen Natur erleben. Da es bereits zu kalt ist um noch zu campen (wir sind nachts mittlerweile bei -15°C angekommen) erscheint uns Couchsurfen eine tolle Gelegenheit um einen Einblick in das Leben einer mongolischen Familie zu bekommen. Wir bekommen schon ein paar Stunden später eine positive Antwort von Suvd und vereinbaren, dass wir am Samstag von ihrem Mann in Ulan Bator abgeholt werden. Er ist Guide und kommt gerade von einer Tour mit ein paar Franzosen aus der Gobi Wüste zurück. Wir beteiligen uns am Benzin und haben so schon etwas Zeit um uns kennen zu lernen.

Doch zuvor müssen wir am Freitag unser chinesisches Visum abholen und sind erstmal etwas geschockt: wir haben nur ein 15 Tage Visum bekommen. Bisher galt ein Touristenvisum immer 30 Tage und auch nach einer schnellen Internetrecherche können wir nicht nachvollziehen warum wir nur 15 Tage erhalten haben. Zur Zeit ist wohl die angegebene Reisezeit maßgebend für die Visadauer, falls hier also ein Traveler mitließt: unbedingt Hotel-Reservierungen für die gesamten 30 Tage vorzeigen, sonst wird das Visum ohne Hinweis gekürzt. Naja, dafür war das Visum um einiges billiger als in Deutschland (26 statt 140 Euro!) und wir sind froh überhaupt ein Visum erhalten zu haben. Mein Cousin der gerade mit dem Fahrrad auf Weltreise ist (www.cyclemichael.de) hat in mehreren Ländern versucht das chinesische Visum zu beantragen - immer erfolglos. Scheinbar sind die chinesischen Botschaften recht willkürlich bei der Visumsvergabe (wie gesagt, ein Blogpost hierzu wird noch folgen), das kolumbianische Paar ging auch leer aus, ohne jegliche Erklärung warum. Wir werfen daher beim Abendessen unsere ursprünglichen Pläne für Asien kurzerhand um und organisieren in den nächsten Tagen eine neue Reiseroute. Wir sind damit ziemlich glücklich! Dazu dann aber später mehr.

In weiser Voraussicht lassen wir unsere Campingsachen im Hostel zurück und stehen Samstag Vormittag pünktlich um 9 an der Straße und warten auf Ganbaatar - auf geht‘s ins mongolische Kleinod. Ein Trip, den wir unser ganzes Leben lang nicht vergessen werden…